Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 6706 vom 22.04.2016, Kategorie Kolumne
Neue Eröffnungsidee in der Najdorf Variante
Die Najdorf Variante in der Sizilianischen Verteidigung (1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cd 4.Sd4 Sf6 5.Sc3 a6) ist eine der schärfsten und meistanalysierten Eröffnungen in der Schachtheorie. Schwarz hatte es schwer, auf 6.Lg5 eine geeignete Antwort zu finden. Kasparov, einer der größten Anhänger dieser Eröffnung, fand in den 80-er Jahren eine geeignete Verteidigung dagegen. Bobby Fischer, obwohl er selbst Najdorf spielte, vernichtete in den 60-er Jahren seine Gegner mit 6.Lc4. In den 80-er Jahren wurde der EnglischeAngriff geboren (6.Le3, gefolgt von f3, Dd2, langer Rochade und g4-g5). In der zweiten Hälfte der 90-er Jahre führte ich, inspiriert von Fischers 6.h3 (mit der Idee g4), unabhängig von anderen Spielern den Zug 6.Tg1!? in die Turnierpraxis ein. Später erweiterte ich die Idee g2-g4 mit dem abwartenden Zug 6.De2. Bereitet die lange Rochade vor, lässt dem Läufer von c1 aber auch die Option e3 oder g5. Die Nachteile sind auch klar: Sperrt den Läufer von f1 (der aber oft auf g2 oder h3 entwickelt wird) und lässt den Springer auf d4 ungedeckt, was nach 6...Sc6 gleich spürbar wird. Aber die letzte frische Idee demonstriert zur Zeit ziemlich erfolgreich der polnische Großmeister Mateusz Bartel: 6.Sd4-b3! Nützlich und abwartend! Sehen Sie selbst:
Bartel (2625) - Wojtaszek (2713)
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Sb3!?
Eine sehr frische Idee in dieser Grundstellung der Najdorf Variante in der Sizilianischen Verteidigung! Das ist eine Art Abwartezug. Wenn Schwarz Strukturen mit e7-e5 wählt, dann geht der Springer sowieso auf b3. Und wenn Schwarz lieber Scheveningen mit e7-e6 spielt, dann kommt Weiß zu g2-g4 ohne Vorbereitung.
6...e6 Die Grundidee des Abwartezuges 6.Sb3 liegt genau in dieser Variante: Weiß kommt zu dem aggressiven Vorstoß g2.g4 ohne Vorbereitung!
7.g4 b5 Schwarz kann mittels 7...h6 g4-g5 erschweren, wonach 8.Lg2 folgen könnte.
8.Lg2 Lb7 Zu überprüfen ist auch 8...b4 9.e5 d5 10.exf6 bxc3.
9.g5 b4 10.Sd5!? Sxd5 11.exd5 e5 12.a3! Le7 Nach 12...bxa3 13.Txa3 wird der Turm über die dritte Reihe sehr aktiv, besonders im Falle einer kurzen Rochade von Schwarz. Dann wäre ein Angriff über die h-Linie möglich.
13.axb4 Lxg5 14.Sa5 Lc8 15.Lxg5 Dxg5 16.Df3 0-0 17.Dg3 De7 Auf 17...Dh6 könnte 18.h4 mit der Idee Dg3-g5 folgen.
18.0-0-0 f5 19.f4 e4 Das Feld e5 für den Springer zu sichern bleibt ein Wunsch: 19...exf4 20.Dxf4 Sd7 21.The1 Se5 22.Sc6.
20.h4 Sd7 21.Lf1 Sf6 22.De3 Ld7 23.Le2 Le8 Ein anderer Plan war 23...Lb5 24.c4 Tfc8.
24.h5 h6 Keine leichte Entscheidung. Einerseits verhindert der Zug h5-h6, anderseits schwächt er das Feld g6.
25.Th3 Kh7?! 25...Kh8 wäre präziser.
26.Dd4 Lf7 27.c4 Dd7 28.Kb1 De8 29.Tdh1 Tg8 30.Sc6 Dd7 31.Tg1 Db7 32.Dd2 Le8 33.Sd4 Tb8 34.Thg3 Dxb4? Nun geriet Schwarz forciert in Schwierigkeiten. Richtig war 34...Ld7 35.Tb3 Kh8 36.Tg6 Tbc8 und Schwarz hält die Balance.
35.Dxb4 Txb4 36.Sxf5 Sxh5 36...Lxh5 trifft auf ähnlichen Probleme, wie in der Partie: 37.Txg7+ Txg7 38.Txg7+ Kh8 39.Lxh5 Sxh5 40.Tc7 Sxf4 41.Sxd6 e3 42.Sf7+ Kg7 43.Se5+ Kg8 44.d6 e2 45.Sf3.
37.Lxh5 Lxh5 38.Txg7+ Txg7 39.Txg7+ Kh8 40.Tc7 40.c5 sieht verlockend aus, scheitert aber an 40...e3 41.cxd6 e2 42.Te7 Lg6.
40...Le2 40...Lg6 funktioniert nicht: 41.Sxd6 e3+ 42.f5 e2 43.Te7.
41.Sxd6 Ld3+ 42.Ka2 e3 43.b3 Lc2 44.Te7 Lxb3+ 45.Ka3 a5 46.Sb7! Ld1 46...Lxc4 verliert nach 47.Sxa5 Tb5 48.Sxc4 Txd5 49.Sxe3.
47.d6 Ta4+ 48.Kb2 Lg4 49.c5 Aber nicht 49.d7? Lxd7 50.Txd7 Txc4 und Schwarz rettet sich.
49...e2 50.c6 Td4 51.f5! Das ist die einfachste Lösung! 51.c7 gewinnt auch, aber komplizierter.
51...Lxf5 52.Txe2 Kg7 53.d7 Lxd7 54.Te7+ Kf6 55.Txd7 Tc4 56.Td6+ Ke5 57.Txh6 a4 58.Sa5 1-0
GM Ilia Balinov / Heinz Herzog