Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 4427 vom 01.10.2005, Kategorie Kolumne
Europacup der Vereinsmannschaften
Die 21. Auflage des Europacups für Vereinsmannschaften in
St.Vincent (Italien) vom 18. bis 24. September wurde geprägt vom
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Teams Tomsk-400 (Russland), Polonia Plus GSM
(Polen) und dem Titelverteidiger NAO Chess Club (Frankreich). Die ersten drei
Plätze waren punktegleich (12 Matchpunkte, jeweils 6 Siege und eine
Niederlage). Bei der Zweitwertung (Spielpunkte) war Tomsk-400 knapp mit 29½
voran, gefolgt von Polonia Plus GSM (29 Punkte) und NAO Chess Club (27½
Punkte).
Bester Spieler war der für die Polen spielende Vassily
Ivanchuk aus der Ukraine mit 6 Punkten aus 7 Partien und einer fast
unglaublichen Eloleistung von 2940!
Unterschiedlich präsentierten sich die österreichischen
Vertreter. Während Meister Ansfelden (mit Zoltan Gyimesi, Lubomir Ftacnik, Niki
Stanec, Christian Weiss, Hermann Knoll, Alois Hellmayr) auf dem ausgezeichneten
elften Platz (von insgesamt 48 Teams) landete, belegte der Vizemeister (mit
Andrei Shchekachev, Gerald Hertneck, Robert Zelcic, Hans-Joachim Hecht, Reinhard
Lendwai, Georg Danner, Juro Ljubic) den eher bescheidenen 28. Platz.
Weiß: Ivanchuk, V. (2752)
Schwarz: Volkov, S. (2622)
Anmerkung: Großmeister Balinov
1.e4 e6 2.Sc3 d5 3.d4 Sf6 4.Lg5 dxe4 5.Sxe4 Le7 6.Lxf6 gxf6
7.Sf3 f5 Die Praxis zeigte, dass Schwarz in der altbekannten Variante:
7...b6 8.Lc4 Lb7 9.De2 c6 10. 0–0–0 Dc7 11.The1 Sd7 12.Kb1 0–0–0 13.La6
maximal Remis erreichen kann.
8.Sc3 a6 Der Plan von Schwarz ist nachvollziehbar, er
dauert nur zu lang.
9.g3 Die logischste Fortsetzung: Der Läufer wirkt am
stärksten von g2 aus. Eine interessante Idee ist auch 9.De2 b5 10.0–0–0,
wie in der Begegnung Grischuk – Sakaev 2002: 10...b4 11.Sa4 Dd5 12.c4 Da5
13.b3 Ld7 14.Sc5 Lxc5 15.dxc5 Sc6 16.Sg5 Td8 17.Sxf7 (17.Dh5 Se5) 17...Kxf7
18.Dh5+ Kg7 19.Dg5+ Kf7 Remis.
9...b5 10.Lg2 Lb7 11.0–0 c5 Die Stellung wurde zuletzt
häufig gespielt und Schwarz konnte mit der Eröffnung zufrieden sein. Bis
jetzt!
12.d5!! Eine neue Idee, die den schwarzen Aufbau in Frage
stellt! Eine aktuelle Partie: 12.Se2 0–0 13.c3 Sd7 14.Dd2 Sf6 15.Tad1 Dc7
16.dxc5 Dxc5 17.Dh6 Sg4 18.Df4 Tad8 mit dynamischem Gleichgewicht,
Najer-Chebotarev, Russland 2005.
12...b4
Nehmen auf d5 wäre nachteilig für Schwarz: 12...Lxd5
13.Sxd5 exd5 (13...Dxd5 14.Sd2) 14.Se5; 12...exd5 13.Se5 Sd7 14.Lxd5 Sxe5
15.Lxb7 Dxd1 16.Taxd1 Ta7 17.Tfe1 Txb7 18.Txe5.
13.dxe6! bxc3 Auf 13...Dxd1 folgt einfach 14.exf7+ Kf8
15.Sxd1.
14.exf7+ Kf8 Was passiert auf 14...Kxf7? 15.Se5+ Kf6
16.Dh5! (aber nicht 16.Lxb7 Dxd1 17.Taxd1 Ta7 18.Sd7+ Sxd7 19.Txd7 Tb8 20.Lc6
Txd7 21.Lxd7 cxb2 und Schwarz gewinnt.) 16...Df8 (es hilft weder
16...Kxe5 17.Lxb7 Ta7 18.Tad1 noch 16...Lxg2 17.Df7+ Kxe5 18.Tad1 mit
Vernichtung.) 17.Lxb7 Ta7 18.Lc8! Kxe5 (18...Dxc8 19.Dh6+ Kxe5 20.Tad1
nebst Tfe1.) 19.Tad1 Kf6 Was sonst? 20.Dxf5+ Kg7 21.Dg4+ Kh6 22.Td5 Df7
23.Te1 Dxd5 24.Te6+ Dxe6 25.Dxe6+ Kg7 26.Dg4+ Kf7 27.Df4+ Lf6 28.Dxb8 Te7
29.bxc3 und der Rest ist eine Frage der Technik.
15.De2 cxb2 16.Tad1 Db6 17.Tfe1 Df6 18.c3! Vielleicht der
schwierigste Zug in der Partie! Ivanchuk opferte für die Initiative eine ganze
Figur und macht auf einmal so einen stillen, nichts drohenden Zug!
18...Le4 19.Sh4 Sc6 Auch nach 19...Lxg2 20.Kxg2 (20.Sxg2
Sc6 21.Dxb2 Tb8 22.Dc2 Se5 23.De2 Sg6 24.Td7 Td8 25.Ta7) 20...Sc6 21.Dxb2
wäre die Lage unklar. Anders nach 19...b1D 20.Txb1 Lxb1 21.Lxa8 Le4 22.Lxe4
fxe4 23.Dxe4 Sc6 24.Sf5 - hier steht Schwarz kurz vor dem Zusammenbruch.
20.Lxe4 fxe4 21.Dxe4 Td8 Die aktive Verteidigung mit
21...Tb8 scheint stärker zu sein.
22.Tb1 Td2? Kostet Zeit und kostet den Trumpf b2.
22...Tb8 war hier wieder ein Thema.
23.Sf3 Td6 Das Problem bei 23...Td7 wäre: 24.Txb2 Kxf7
25.Dxc6 Dxc6 26.Se5+.
24.Txb2 Kxf7 25.Tb6 Ke8 Es droht 26.Tc6 und 27.Se5.
26.Te3 Ivanchuk überdeckt vorzeitig den Springer, damit
die Dame nach Th8-f8 frei ist.
26...Tf8 Der russische Großmeister sollte den h-Bauern
retten: 26...h6 27.Txa6 und dann 27...Tf8. Den a-Bauern kann Schwarz nicht
retten: 26...a5 27.Txc6! Txc6 28.Se5 Td6 29.Da4+ Kd8 (29...Kf8 30.Tf3) 30.Dxa5+
Kc8 31.Dxc5+ Kb8 32.Te1 mit entscheidendem Angriff.
27.Dxh7 Tf7 28.Dg8+ Tf8 29.Dc4 a5 30.Kg2 Schwarz hat
enorme Koordinationsprobleme inklusive eines schlecht stehenden König.
30...Tf7 31.Dxc5 Weiß liegt mit dem Material schon
voran. 4 Bauern sind mehr als eine Leichtfigur.
31...Kf8 32.Dh5 Kg8 33.Dg4+ 33.Tb5 war ebenfalls gut.
33...Tg7 34.Dc4+ Tf7 35.Dg4+ Tg7 36.Dc8+ Lf8 37.Te8 Tg6 Nach
37...Tf7 38.Dg4+ Tg7 hätte Weiß nichts gegen die Vereinfachung 39.De4 Te7
40.Txe7 Lxe7 41.h4.
38.h4 Einfacher war 38.Sh4 Tg5 (38...Th6 39.Sf5) 39.Txc6
Txc6 40.Txf8+ Dxf8 41.Dxc6.
38...Df7 39.Tb7 Df6 40.Sg5 Se5 Verliert effektvoll! Auf
40...Td8 folgt 41.Dc7 und nach 41...Tg7 42.Dxg7+ Dxg7 43.Txg7+ Kxg7 44.Se6+ Kf7
45.Sxd8+ Kxe8 46.Sxc6 wäre es Zeit zum Aufgeben.
41.Tf7! Schönes Schlussbild! 1–0
GM Ilia Balinov / Heinz Herzog