Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 222 vom 11.04.1997, Kategorie Kolumne
Super-GM-Turnier in Dos Hermanas: Erneuter Fehlstart von FIDE-Weltmeister Anatoli
Karpow (11. April 1997)
Nach 6 von 9 zu spielenden Runden liegt Kronprinz Wladimir Kramnik (RUS) mit 4½
Punkten alleine in Führung, gefolgt von ELO-Favorit Wisnawathan Anand (IND) alleine in
Führung. FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow teilt nach schwachem Start hinter Boris Gelfand
(BLR) und Judit Polgar (HUN), die je 3½ auf ihr Konto gebracht haben, mit 3 Punkten den
5. und 6. Platz. Weiters 7.-9. Waleri Salow, Alexei Schirow (beide ESP) & Nigel Short
(ENG) je 2½ sowie Miguel Illescas (ESP) 1 Punkt.
Mit den eigenen Waffen besiegt
GM W. Kramnik - GM A. Karpow
In der nachfolgenden Partie bedient sich der neben Anand als Nachfolger der beiden
großen K's, Kasparow und Karpow, gehandelte junge Russe jener Waffen, die bislang Anatoli
Karpow, den bislang erfolgreichsten Turnierspieler aller Zeiten ausgezeichnet hatten, und
wendet sie erfolgreich gegen sein großes Vorbild an ...
Weiß: GM W. Kramnik
Schwarz: GM A. Karpow
Englisch [A17]
1. Sf3 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. Dc2 00 5. a3 Lxc3 6. Dxc3 b6 7. b4 Lb7 8. Lb2 d6
9.e3 Sbd7 10.d4. Ein modernes Abspiel im "Nimzoinder". Weiß hat das
Läuferpaar und Übergewicht im Zentrum, Schwarz eine feste Stellung.
10. ... Se4 11. Db3 a5 12. Le2 axb4 13. axb4 Txa1+ 14. Lxa1 Sdf6 15. 00 Dd7
16. b5. Sonst kommt Schwarz zu 16. ...c7-c5 und nach 17. bxc5 bxc5 hat der
Nachziehende - der Läufer auf b7 ist nun gedeckt alle Schwierigkeiten überwunden.
Spielt Schwarz nun dennoch c7-c5, so bliebe der Bauer b6 in der Folge ein Sorgenkind.
16. ... Ta8 17. Lb2 c6. Ungeachtet der Schwäche b6 unternimmt der
FIDE-Weltmeister einen riskanten Befreiungsversuch.
18. bxc6 Dxc6 19. Tc1 Sd7 20. Se1!. Räumt das Feld f3, um in der Folge den
Rappen auf "e" mit f2-f3 zu vertreiben.
20. ... Da4. Angesichts des zunehmenden weißen Drucks entscheidet sich Karpow
ins Endspiel abzuwickeln.
21. Dxa4 Txa4 22. f3 Sef6 23. Ld1 Ta2 24. Sd3 Kf8 25. Lb3 Ta8 26. e4. Weiß hat
bereits deutliches Übergewicht.
26. ... Sb8?. Zu passiv. Angebracht war 26. ... Se8 mit der Idee f7-f6,
Kf8-e7 und Se8-c7.
27. c5!. Kramnik nutzt umgehend die Möglichkeit, die Stellung angesichts der
mangelnden Koordination der schwarzen Figuren zu öffnen .
27. ... bxc5 28.dxc5 dxc5. Nicht besser war 28. ... d5 29. Lxf6 dxe4
(Auch nach 29. ... gxf6 30. exd5 steht Weiß deutlich besser) 30. c6! Lc8 (Auf 30.
... Sxc6 entscheidet 31. Sc5, ebenso verbot sich das Nehmen mit dem Läufer wegen 31. Se5
und Weiß gewinnt) 31. Lxg7+ Kxg7 32. fxe4 mit Gewinn. Zu versuchen war daher 28.
... Se8!? 29. cxd6 Sxd6 30. e5 Se8 31. Sc5 Ld5!.
29. Sxc5 Lc8. Elastischer erscheint 29. ... Lc6.
30. e5 Se8?. Dies ist ebenso schlecht wie 30. ... Sfd7? 31. Sxe6+ und Weiß
gewinnt, doch mit 30. ... Sd5!? konnte Schwarz noch Widerstand leisten.
31. La4!.
31. ... Sc7?. Besser war 31. ... f5 oder 31. ... f6!?.
32. La3!. Entscheidend!
33. ... Kg8 33. Se4! Txa4. Ebenso ungenügend war 33. ... Sba6 34. Ld6 Ta7 (Oder
34. ... Sd5 35. Lc6 Ta7 36. Lxd5 exd5 37. Txc8 matt) 35. Lb5 Lb7 36. Lxc7 Lxe4 37.
Lb6 Ta8 38. Lxa6 und Weiß gewinnt.
34. Txc7 La6. Auch nach 34. ... Ld7 35. Ld6! Ta1+ 36. Kf2 Tb1 37. Sc5+ ist der
Tag für Weiß entschieden.
35. Sc5 Txa3 und Schwarz gab auf.
Erneut Superstart für Judit Polgar
Wie bereits in Linares bewies Judit auch in Dos Hermanas, daß ihr spanischer Boden
äußerst behagt und führte bis zur 5. Runde gemeinsam mit Anand und Kramnik die Tabelle
an.
Weiß: GM M. Illescas
Schwarz: GM J. Polgar
Sizilianisch [B88]
Anm. I. Balinov
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Lc4 e6 7. 00 Le7 8. Lb3
00 9. f4 Sc6 10. Le3 Sxd4 11. Lxd4 b5 12. e5 dxe5 13. fxe5 Sd7 14. Se4 Lb7 15. Sd6
Lxd6 16. exd6 Dg5 17. De2. Eine Alternative bestand in 17. Tf2. In Sax-Timman, London
1980. Es folgte dort weiter 17. ... a5! 18. c4?! (Ausgleich versprach indessen, wie der
Schachinformator im Kommentar zur vorstehenden Partie ausführt, 18. a4!?) a4 19. Lc2 bxc4
20. La4 Sc5 (nach 20. ... Tfd8! wäre Schwarz etwas besser gestanden) 21. Lc2 Se4 22. Le4
Le4 23. d7 Tab8 24. Lc3 und nun hätte Schwarz abermals mit 24. . ... Tfd8! Und etwas
besserem Spiel fortfahren sollen.
In der Partie Bosch-Cifuentes, Parada 1991 griff der Nachziehende die Empfehlung 18.
a4! auf, dennoch erlangte Schwarz nach 18. ...Ta6 19. axb5 Td6 20.Dd2 Db5 21.Dc3 e5 22.Le3
Sf6 gutes Spiel.
17. ... Kh8!?. Ein neuer Zug, der den schwarzen Morarchen vorbeugend aus der
Diagonale a2-g8 entfernt. In der 14. WM-Partie Short-Kasparow, London 1993, geschah statt
dessen 17. ... e5 18. Lc3 Dg6 19. Tad1 Kh8 20. Ld5 Ld5 21. Td5 De6 22. Tfd1, mit Vorteil
für Weiß.
18. Tad1 Dg6 Bereitet f7-f5 und gegebenenfalls e6-e5 vor. Das ist die Idee des
Zuges 17. ... Kh8.
19. c4 bxc4 20. Lxc4 f5! 21. Lc3. Nicht 21. Lxe6?? wegen Tae8, doch war auch 21.
Tf2!? zu erwägen.
21. ... f4 22. Ld3 f3!. Ein Bock war hingegen 22. ... Dg5? wegen 23. Le4.
23. Df2. Auf 23. Lxg6? folgt 23. ... fxe2 24. Txf8+ Txf8 25. Te1 hxg6 und
Schwarz gewinnt, während auf 23. Dc2 Dg5! möglich wird. Schwach ist 24. g3 wegen 24.
... f2+ 25. Txf2 Txf2 26. Kxf2 Tf8+ 27. Kg1 Dd5 oder 24. Le4 Lxe4 25. Dxe4 Dxg2
matt.
23. ... Dh5. Gut für Weiß war hingegen 23. ... Dxg2+ 24. Dxg2 fxg2 25. Txf8+
Txf8 26. Lc4.
24. Dg3 e5! 25. gxf3 Lxf3 26. Tde1 Tae8 27. Te3. Vorteilhaft für Schwarz war
27. Le4 Lxe4 28. Txf8+ Txf8 29. Txe4 Dd1+ 30. Te1 Dxd6, doch was sprach eigentlich gegen
27. Lxa6!? Tf5 (27. ... Tf6 28. Ld3 Tee6 29. Te3 Tg6 30. Lxg6 Txg6 31. Texf3 Txg3+ 32.
hxg3 h6 33. Tf7 Dh3 34. T1f3; 27. ... Te6 28.Ld3 Txd6 29. Lb4 Txd3 30. Lxf8 Sxf8 31. Txe5
Df7; 27. ... Tf4 28. Lb5 Tg4 29. Txf3 Txg3+ 30. Txg3 mit Vorteil für Weiß.
27. ... Lc6 28. Tfe1 Df7.
29. Lxe5??. Der Verlustzug
Schwach war ebenfalls 29. Lxa6? Dd5, doch nach 29. Le4 Lxe4 30.
Txe4 Dxa2 31. Lxe5 Sxe5 32. Txe5 Td8 33. Td1 Dxb2 34. d7 Db6+ 35. De3 Dxe3+! wäre es wohl
zu einer Punkteteilung gekommen.
29. ... Sxe5 30. Txe5 Da7+ 31. T5e3. Oder 31. De3 Txe5 32. Dxa7 Txe1+ 33. Lf1
Texf1 matt bzw. 31. T1e3 Txe5 32. Dxe5 Tf3.
31. ... Tf3 32. Dh4 h6 und Weiß strich die Segel.