Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 2030 vom 14.12.2001, Kategorie Kolumne
Neuigkeiten aus Moskau
Parallel zur Weltmeisterschaft lief in Moskau vom 1. bis 9.
Dezember das Botwinnik Memorial, konzipiert als Zweikampf zwischen
Kramnik und Kasparov. Kurz zusammengefasst: Es mangelte trotz des Preisfonds von
immerhin 500.000 US-Dollar an Kampfbereitschaft und auch die Zuschauer blieben
weitgehend aus. Sowohl beim klassischen Schach als auch beim Schnellschach gab
es ein Unentschieden: 2-2 (4 Remis) und 3-3 (je ein Sieg und vier Remis).
Kasparov konnte sich letztlich erst beim Blitzen durchsetzten, dort allerdings
mit 6½ zu 3½ recht deutlich.
Zwischenstand bei der WM
Beim Herrensemifinale bleiben folgende Fragen offen: Wird
Anand in der 4. Partie mit Weiß riskieren oder die Entscheidung ins Tie-Break
verschieben, wo er klare Vorteile hat ? Schafft es Svidler mit Schwarz, ins
Match zurückzukommen ?
Hier eine Partie vom Semifinale:
Weiß: GM Svidler (2686)
Schwarz: GM Ponomariov (2684)
Fide WM Moskau, Dez. 2001 [C43]
Anmerkung: GM I. Balinov
1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 Die russische Verteidigung war bei der
WM sehr populär. Des liegt an die Match-Strategie: mit Weiß auf Gewinn
spielen, mit Schwarz auf "Halten".
3.d4 Fast bei allen anderen Partien wurde 3.Sxe5
gespielt. Weiß konnte aber kein besonderes Kapital daraus schlagen.
3...Sxe4 4.Ld3 d5 5.Sxe5 Sd7 6.Sxd7 Lxd7 7.0–0 Ld6 7...Dh4
galt früher als Hauptvariante, jetzt ist sie schon aus der Mode.
8.c4 c6 9.cxd5 cxd5 10.Sc3 Wichtig für die Bewertung der
Variante ist die Stellung nach: 10.Dh5 0–0 11.Dxd5 Lc6 12.Dh5 g6 13.Dh3 Sg5.
10...Sxc3 11.bxc3 0–0 12.Dh5 f5 In der Praxis kommt
auch das Bauernopfer mit 12...g6 13.Dxd5 Dc7 vor.
13.Te1N Ein neuer Zug. Bis jetzt wurde entweder 13.Df3
Kh8 14.Tb1 Dc7 15.h3 Lc6 16.Te1 g6 17.Lh6 Tfe8 18.g3 Kg8 19.Lc2 a5 20.h4 a4
21.Txe8+ Txe8 22.Lxa4 Lxa4 23.Dxd5+ Kh8 24.Txb7 Lc6 25.Lg7+ Dxg7 26.Dxc6 Df8 mit
Ausgleich. Giaccio Alfredo-Fiorito Fabian, Villa Ballester 2001. oder 13.c4
gespielt: 13...dxc4 14.Lxc4+ Kh8 15.Lg5 Da5 16.Tab1 b6 17.Dh4 Remis,
Sharapov-Smirnov, Alushta 2001.
13...Dc7 14.Ld2 Tae8 15.Lc2 g6 16.Df3
16...Te4 Ein positionelles Qualitätsopfer. 16...Lxh2+
17.Kh1 Ld6 18.Lb3 Lc6 19.Lxd5+ Lxd5 20.Dxd5+ Kg7 mit Ausgleich.
17.g3 Lb5 18.Lf4? Fehlerhaft. Besser war 18.Lh6 Tf7 19.a4
La6 20.Lxe4 fxe4 21.Dg4 Tf5 22.Ld2 mit unklarem Spiel; oder 18.Lxe4 fxe4 19.Dg4
18...Lxf4 19.gxf4 Dd6 20.Lxe4 fxe4 21.Dg3 Txf4 Schwarz
hat ausreichende Kompensation für die Qualität: einen Bauern und starken
Läufer, dazu kommt der schwache weiße König.
22.Tab1 Ld7 23.f3 23.h3 wäre genauer.
23...b6 Man darf 23...exf3 nicht überstürzen, denn nach
24.Kf2 b6 25.Te3 hat Weiß die Probleme hinter sich.
24.Te3 Df6 25.Tf1? Entscheidender Fehler in
schwieriger Stellung. 25.Tb2 mit Idee Tb2-f2. 25...exf3 26.Kf2 und ein langer
Kampf steht bevor.; aber nicht 25.fxe4 wegen 25...Tg4
25...Lg4! Ponomariov forciert die folgende Variante, die
er genau abschätzte.
26.Dxg4 Txg4+ 27.fxg4 Dg5 Der junge Ukrainer bewertete
seine Dame richtigerweise stärker als die beiden weißen Türme.
28.Tg3 b5 29.Tf2 Kg7 30.Kg2 a5 31.Tb2 31.Tc2 leistet mehr
Widerstand.
31...b4 Schwarz entfernt den c3 Bauer, damit d4 schwach
wird.
32.cxb4 axb4 33.h3 Der b4-Bauer ist indirekt gedeckt:
33.Txb4 Dd2+
33...Dc1 34.Tgb3 Kh6 Es ist Zeit für den König (im
Endspiel ist er eine sehr wichtige aktive Figur)
35.Txb4 Dd1 36.Kf2 Kg5 Mit 36...Df3+ 37.Ke1 De3+ 38.Kd1
Dxh3 erreicht Schwarz auch großen Vorteil.
37.Te2 Kf4 38.Tb3 Dxd4+ 39.Kg2 Dc4 40.Tf2+ Kg5 41.Tf7 d4
42.h4+ Der letzte Schmäh.
42...Kxh4 Der g Bauer wäre giftig: 42...Kxg4 43.Tg3+
Kxh4 44.Txh7#
43.Txh7+ Kxg4 44.Tg3+ Kf5 0–1
GM Ilia Balinov / Heinz Herzog