Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 1834 vom 20.04.2001, Kategorie Kolumne
5. Internationales Neckar Open.
Vom 12 bis 16 April fand in der kleinen Gemeinde Deizisau, in der Nähe von
Stuttgart, ein Mega-Open statt. Mehr als 400 begeisterte Schachspieler (darunter
auch meine Wenigkeit) nutzten die Feiertage, um sich schachlich auszutoben. Das
Turnier wurde in drei Gruppen entsprechend der Elowertung geteilt. Der Modus war
sehr hart: abgesehen von der 1. Runde mußten täglich zwei Runden absolviert
werden. Kompliment an die Veranstalter, die trotz der unerwartet hohen
Teilnehmeranzahl dieses große Schachereignis perfekt über die Bühne brachten.
Endstand nach 9 Runden:
209 Teilnehmer
Weiß: Balinov (2482)
Schwarz: Niklasch (2350)
Deizisau open (5), 14.04.2001 [B46]
Anmerkung: GM I. Balinov
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Sc6 6.Le2 Sge7 Die
Taimanov Variante, die in letzter Zeit ein bißchen außer Mode gekommen ist.
Ein großer Anhänger dieses originellen Systems ist der GM Romanishin aus der
Ukraine.
7.Le3 7.Sb3 Das ist die andere logische Alternative: man
vermeidet den Abtausch auf d4.; 7.0–0 Sxd4 8.Dxd4 Sc6 9.Dd3 wurde auch schon
gespielt, ich halte es für weniger erfolgversprechend.
7...Sxd4 8.Dxd4 Hier zeigt sich der Vorteil von 7.Le3
gegenüber 7.0–0: auf 9...Sc6 kommt 10.Db6 und der schwarze Damenflügel wird
fixiert.
8...b5 Der Zug bereitet 9....Se7-c6 vor, vernachlässigt
dadurch aber etwas die schwarze Entwicklung.
9.0–0 Sc6 10.Dd2 10.Db6 bringt nichts wegen 10...Dxb6
11.Lxb6 Tb8 und die Stellung ist ok für Schwarz.
10...Le7 11.Tfd1!N nach 20 minütigem Nachdenken. Die
Stellung hatte ich noch nie. Es ist kaum zu glauben, laut meiner
Partien-Datenbank ist dieser logische Zug eine Neuerung. Die Idee ist folgende:
man übt Druck auf der d Linie aus und droht Le3-f4-d6, der Turm auf a1
unterstützt den Vorstoß a2-a4. Weiß verzichtet dabei auf Aktivitäten im
Zentrum und auf dem Königsflügel. Nicht vergessen: Angreifen kann man auch auf
dem Damenflügel. 11.f4 d6 12.Lf3 12...Lb7 13.Df2 0–0 14.Lb6 Dc8
15.Tad1 Sb8 16.Ld4 Sd7 17.Dg3 e5 18.fxe5 dxe5 19.Lxe5 Sxe5 20.Dxe5 Lf6 21.Df4
Lxc3 22.bxc3 Dxc3 mit Vorteil Schwarz. Ernst-Reinderman Dieren op. 1998.;
11.Tad1 0–0 12.Lf4 f6! ein wichtiger Zug in der Taimanov Variante: man nimmt
den Punkt e5 unter Kontrolle und bereitet das Manöver Sc6-e5-f7 vor. 13.a4 bxa4
14.Sxa4 Se5 15.Le3 Tb8 16.f4 Sf7 17.b3 Dc7 mit dynamischem Gleichgewicht.
Khalifman-Taimanov St.Petersburg 1996.
11...d6 Mein Gegner wollte Le3-f4-d6 verhindern, indem er
auf 12.Lf4 Sc6-e5 spielt. Auf 11...0–0 12.Lf4 f6 wie in der Partie
Khalifman-Taimanov kommt 13.a4 b4 14.Sd5! Lc5 15.Lc7 De8 16.Lb6 Lxb6 17.Sxb6 Ta7
18.Sc4 und die Schwäche d6 bleibt chronisch.
12.Lf4! Trotzdem!
12...b4 12...Se5 verliert wegen 13.Sxb5! axb5 14.Lxe5
dxe5 15.Lxb5+ Ld7 16.Dxd7+ Dxd7 17.Txd7; 12...e5 schwächt den Punkt d5, den der
Springer von c3 sofort besetzen wird. Deswegen vertreibt man ihn zuerst mit dem
Textzug.
13.Sa4 e5 14.Le3 Tb8 Sonst kommt Sa4-b6-d5.
15.a3! Hier war mir klar, Weiß muß schnell handeln
bevor sich schwarz konsolidiert. Die Frage war aber wie, mit 14.a3 oder 14.c3?
Nach 30 Minuten fand ich die Antwort.
15...a5 Diesen Zug habe ich erwartete. Die anderen
Fortsetzungen machten mir weniger Rechenarbeit. Z.B.: 15...bxa3 16.Txa3 d5 sonst
steht Schwarz einfach schlecht. 17.exd5 Lxa3 18.dxc6 Le7! 19.Sb6 Txb6 20.Da5
Dxd1+ 21.Lxd1 Txb2 22.Dxe5 Tb1 war mir unklar.; 18.bxa3 18...Sd4 19.Lxd4
exd4 20.Df4 Ld7 21.De5+ Kf8 22.Dxd4; 15...0–0 16.axb4 Txb4 17.c3 Tb8 17...Txe4
18.Lf3 18.b4 mit klarem Vorteil für Weiß. Diese Variante zeigt auch, daß
der Turm auf a1 richtig steht.
16.axb4 axb4
17.Dd5!! Das ist die Pointe der
Variante beginnend mit 14.a3.
17...Dc7 Auf 17...Lb7 hat man den Qual der
Wahl 18.Lb5 18...Dc7 18...Dc8 19.La7 19.Lb6 Dc8 20.La7 0–0 21.Lxb8 Sd4
22.La6! Lxa6 22...Lxd5 23.Lxc8 Txc8 24.Sb6 Txb8 25.Sxd5 23.Lxd6 Td8
24.Sb6 Dxc2 25.Dxe5 Lxd6 26.Txd4 Dc7 26...Dxb2 27.Txd6 27.Tad1 Le2
28.Txd6 Lxd1 29.Txd8+ Dxd8 30.Dd5 Dxd5 31.Sxd5 b3 32.Kf1 und Weiß gewinnt
leicht.
18.Lb5 Ld7 19.Sb6! Txb6 Einziger Zug.
20.Lxb6 Dxb6 21.Ta6 Db7 22.Txc6! 0–0 23.Txd6! Dxd5 23...Dxb5
24.Txd7; 23...Lxb5 24.Dxb7; 23...Lxd6 24.Dxb7
24.T6xd5 Le6 25.Txe5 Lf6 26.Tc5 Lxb2 27.Ld7! Weiß spielt
im nächsten Zug Tc5-c8, womit die Türme und die weißfeldrigen Läufer
getauscht werden. Danach ist das Endspiel elementar zu realisieren. Deshalb gab
mein Gegner auf. 27.Ld7 Td8 hilft auch nicht 28.Tc8 Txc8 29.Lxc8 Kf8 30.Lxe6
fxe6 31.Td7 1–0
ÖM Lothar Karrer / Heinz Herzog